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3. Hochwuchs/Großwuchs u. Riesenwuchs;
Wachstumssteigerung und
Wachstumsbeschleunigung
Beim Klub Langer Menschen Deutschland ist die
Aufnahmebedingung in der Regel das (z.Zt.) erforderliche Maß der Körperlänge bei der
Frau 1,80 m, beim Mann 1,90 m. Wenn man sich die 97er Perzentile bei den Wachstumskurven
betrachtet, fällt auf, dass das erforderliche "Gardemaß" in etwa bei dieser
97er Perzentile beginnt. Auch wenn eine Erhöhung dieses Maßes um jeweils 5 cm einmal
beschlossen werden sollte (?), würden diese Mitglieder zu den 3% der Gesamtbevölkerung
gehören, die gerade außerhalb der Zwei-Sigma-Grenzen, des "Normalbereichs"
liegen.
Da der Mensch versucht, jede Sache, jeden Zustand, jeden Unterschied zu bezeichnen, sind
auch in der medizinischen Literatur die gebräuchlichen Begriffe
"Hochwuchs"/"Großwuchs" und "Riesenwuchs" definiert. Es
besteht aber - genau wie in der Öffentlichkeit - keine klare Übereinkunft, wo die
Grenzziehung ist. Die Grenzziehung ist willkürlich und kann deshalb keine grundsätzliche
Bedeutung haben (14Quelle 14: Labhart,A.: Klinik der Inneren Sekretion. 3.Aufl. 1978.
). Nach de Rudder und Kipper, Vogt, Prader u.a. liegt ein Großwuchs
vor, wenn die Größe um mehr als die zweifache Standardabweichung vom Mittel abweicht.
Wenn die Körperlänge mehr als drei Sigma vom Mittel abweicht, so besteht ein
Riesenwuchs. Bierich (8Quelle 8: Lenz,W.: Wachstum und körperliche Entwicklung. Bierich,J.R.: Allgemeiner und partieller Riesenwuchs. In: Opitz/Schmid: Handbuch der Kinderheilkunde Bd. I/1, 1971
) sieht die Grenze zwischen Großwuchs und Riesenwuchs bei einer
fünffachen Abweichung vom Mittelwert.
Wenn man solche Definition konkret in Maße umsetzt, muss man natürlich den aktuellen
Durchschnittswert zugrunde legen. Unter Berücksichtigung der festzustellenden allgemeinen
Wachstumssteigerung darf man heute eine Durchschnittsgröße bei der Frau von etwa 1,70 m,
beim Mann von etwa 1,80 m annehmen können. Legt man beim Erwachsenen das Maß für ein
Sigma auf 6,5 cm fest, dann beginnt Großwuchs bei der Frau ab ca. 1,83 m , beim Mann ab
ca. 1,93 m.
Nach de Rudder und Kipper liegt ein Riesenwuchs bei der Frau vor, wenn sie größer als
ca. 1,90 m (170 cm + (3x6,5 cm)) ist; beim Mann wäre das Maß bei ca. 2,00 m. Dem
Vorschlag von Bierich (8Quelle 8: Lenz,W.: Wachstum und körperliche Entwicklung. Bierich,J.R.: Allgemeiner und partieller Riesenwuchs. In: Opitz/Schmid: Handbuch der Kinderheilkunde Bd. I/1, 1971
) folgend, liegt die "Grenze" (5 Sigma) zwischen
Hochwuchs und Riesenwuchs bei der Frau heute bei ca. 2,02 m, beim Mann bei ca. 2,12 m.
Genauso wie diese willkürliche Grenzziehung nicht einheitlich bestimmt werden kann (wozu
auch?), liegen auch für das Maß der Wachstumssteigerung und -beschleunigung keine
einheitlichen Angaben vor. Die meisten Kinder wachsen ihren Eltern über den Kopf, und sie
werden schneller groß und früher geschlechtsreif als die Generation davor.
Von Harnack (16Quelle 16: v.Harnack,G.A.: Kinderheilkunde, 7.Aufl. 1986/87
) gab 1986 an, dass in den letzten 100 Jahren die Erwachsenengröße in
zahlreichen Ländern um durchschnittlich 8 cm (7-10 cm) zugenommen hat und dass
Schulkinder heute um 12 cm (8-16 cm) größer sind als ihre Altersgenossen vor 100 Jahren.
Für die Wachstumssteigerung bedeutet das also eine Längenzunahme von bis zu 1 cm in 10
Jahren.
Dem Wissenschaftsreport von Zimmer (19Quelle 19: Zimmer,D.E.: Wachstum: Der Mensch will hoch hinaus. Zeitmagazin Nr.42, 14.10.1988.
) zufolge sollen die Menschen z.Zt. alle 10 Jahre
sogar um 2 cm wachsen. Auch liegen die einzelnen Perzentile bei neueren
Wachstumskurven-Diagrammen etwas höher als bei früheren (3Quelle 3: Lisser, H. / Escamilla, R.: Atlas of Clinical Endocrinology. 2nd edit. 1962
,16Quelle 16: v.Harnack,G.A.: Kinderheilkunde, 7.Aufl. 1986/87
,17Quelle 17: Brand,I./ Reinken,L.: Diagramme: Wachstums- und Gewichtskurven in Perzentilen. Klin. pädiat. 200, 451-456; 1988
). Zu viele Faktoren
spielen beim komplizierten Wachstumsvorgang gleichzeitig eine Rolle , so dass eine exakte
Angabe der Wachstumssteigerung unmöglich ist.
Zu den Ursachen dieses Wachstumstrends gibt es bisher nur
Vermutungen, die mehr oder weniger plausibel sind. Zwei der zahlreichen Theorien möchte
ich hier einmal herausgreifen, weil sie zu dem Bereich der Faktoren gehören, die das
Wachstum auf jeden Fall beeinflussen.
Die eine Theorie führt den Trend auf Erbfaktoren, auf genetische Gründe zurück. Sie
besagt, daß die Nachkommen bei irgendeinem Wert, der mit den Genen mitgeliefert wird,
zuweilen nicht genau zwischen ihren Eltern liegen, sondern näher an dem größeren und
stärkeren Elternteil. Unter den Genen, die für das betreffende Merkmal (also z.B.
"groß") verantwortlich sind, sollen sich einige dominante befinden, die dieses
Merkmal verstärken. (Stichwort: Heterosis).
Die andere Theorie betrifft die Baustoffaufnahme.
Man vermutet schon länger, daß die allgemeine Verbesserung der Ernährung und das
Überangebot mit tierischem Eiweiß und vielleicht auch Zucker in Verbindung mit dem
Seltenerwerden von Infektionskrankheiten und mit der geringeren körperlichen
Arbeitsbelastung der Jugend - bei der Wachstumssteigerung eine Rolle spielen. (6Quelle 6: Keller,W/ Wiskott/ Vogt,D.: Lehrbuch der Kinderheilkunde. 2. Aufl. 1966 (u. weitere Aufl.)
,19Quelle 19: Zimmer,D.E.: Wachstum: Der Mensch will hoch hinaus. Zeitmagazin Nr.42, 14.10.1988.
)
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